Allgemeines

Lehrende
Dr. Christiane Richter

Dr. Christiane Richter.

Prof. Dr. Michael Komorek

Prof. Dr. Michael Komorek.

Veranstaltung
Physikdidaktische Forschung für die Praxis – SchAU plus

Modul
5.04.762 (phy 423) Physikdidaktische Forschung für die Praxis

Studiengang
Physik Master of Education

Fakultät
Fakultät V – Mathematik und Naturwissenschaften

Institut
Institut für Physik

Turnus
Wöchentlich, inkl. Besuch der Schule und des außerschulischen Lernorts

Anzahl Studierende
Max. 16

KP des Moduls
Im Moment 6 für Gym, 3 für GHR (wird auf 6 KP angepasst)

Prüfungsform
Präsentation der Ergebnisse in digitaler Form (Blog, Podcast, Video, …)

Kategorien
Blog
DiOLL
Forschendes Lernen
Lehrkräftebildung
Mathematik und Naturwissenschaften
OLE+
Online-Meetings
Seminar
Video

Als (angehende) Lehrkräfte planen wir ständig Unterricht und führen ihn durch, aber funktioniert das, was wir machen? Werden Lernprozesse durch unser Lehrerhandeln ausgelöst? Die Lesson Study macht dies sichtbar – durch studentische Unterrichtsforschung und Selbstreflexion im Format SchAU plus.

Zwei Kinder beim Experimentieren.
Foto 1: Uni Oldenburg, Zeitschrift Einblicke, 2011
Foto 2: Schülerlabor physiXS

Ein Lehr-Lern-Format zum Forschenden Lernen in der Praxis, entstanden im Rahmen der Qualitätsoffensive Lehrerbildung /OLE+, Phase II

Forschendes Lernen in der Praxis – Das Format SchAU plus

Kurzbeschreibung

„If the teacher’s lens can be changed to seeing learning through the eyes of students, this would be an excellent beginning.“  J. Hattie, 2009, S. 252

Da es Lehrkräften  durchaus möglich ist, Lernziele und deren Umsetzung  immer wieder an die Bedürfnisse und Fähigkeiten der Lernenden anzupassen, wenn sie nur ihren Blickwinkel ändern (Hattie, 2009),  wäre es ein hervorragender Anfang, den Blick unserer Studierenden so zu schulen, dass sie das Lernen mit den Augen der Schüler:innen sehen könnten. Im Seminar „Physikdidaktische Forschung für die Praxis“, in dem das Format SchAUplus integriert wurde, wird dies erprobt. Studierende setzen sich mit der Fragestellung auseinander: Funktioniert das eigentlich, was wir an Unterricht planen? Dazu nutzen sie die Methoden „Rückwärtsplanung“ und „Lesson Study“.

Zur Planung von Unterricht kombinieren die Studierenden die Methode der Didaktischen Rekonstruktion (Duit, Gropengießer, Kattmann, Komorek & Parchmann, 2012), die Lernschrittfolgen der Oserschen Basismodelle des Lernens (Oser, Patry, 1990; Krabbe, Zander, Fischer, 2015) und die Rückwärtsplanung (Richter, Komorek, 2017). Trotz oder wegen dieser theoriebasierten Planung stellt sich die diagnostische Frage, inwiefern in der realen Unterrichtssituation Lernprozesse tatsächlich angeregt und am Laufen gehalten werden. Dazu wird die Lesson Study als Diagnoseinstrument genutzt, dass sowohl über Lernprozesse als auch indirekt über den Erfolg der Planungen Auskunft gibt. Zentral hierbei ist, dass die Diagnose in der Hand der Studierenden bleibt und deren didaktisches Fähigkeitsselbstkonzept zu fördern. Im Format SchAU plus überprüfen die Studierenden ihre eigene Rückwärtsplanungen mittels Lesson Study, Planung und Diagnose gehen Hand in Hand.

Das Format SchAU plus

Die Methoden Lesson Sudy und Rückwärtsplanung werden im Format SchAU plus kombiniert bzw. aufeinander bezogen. Dieses Format findet für Studierende als Wahlpflichtangebot zum Ende des Masterstudiums statt, um nach den Praktika, aber vor dem Referendariat ein letztes Mal Unterricht zu planen, durchzuführen und zu reflektieren – unter Einbeziehung eines Schulbesuchs, eines Außerschulischen Lernorts und des LehrLernLabors physiXS an der Universität. Es wurde entwickelt im Rahmen der Qualitätsoffensive Lehrerbildung OLE+ und dockt an das Format SchAU an, das Studierenden zu Beginn des Studiums die Möglichkeit eröffnet, erste Erfahrungen mit Schule und Schüler:innen zu machen und ihr Lehrerhandeln zu reflektieren (s. Abb. 1).

Ein Pfeil nach rechts, der größer wird und verschiedene Stationen des LehrLernLabor-Curriculums der Physik-Lehrerbildung markiert: Von SchAU zu SchAUplus.
Abb. 1: Das LehrLernLabor-Curriculum der Physik-Lehrerbildung der UOL, Smoor 2018, S. 278

Die Lesson Study bietet Gelegenheit, die Bereitschaft zur Reflexivität bei Lehramtsstudierenden zu fördern und die Haltung dazu zu verändern. Durch die gemeinsame Planung, Diskussionen, Reflexion der Beobachtungen und Aussagen der Schüler:innen werden die reflexiven Kompetenzen geschult. Die Verbindung der Lesson Study mit der Rückwärtsplanung unterstützt diese Form der Professionalisierung dadurch, dass gezielt Planungen und Beobachtungen miteinander verglichen und aufeinander bezogen werden.

Kompetenzen und Lernziele

Im Seminar werden fachliche Kompetenzen zu Unterrichts­planung und – diagnose erweitert. Darüber hinaus gehört die reflexive Professionalisierung als zentrales Element professioneller Handlungskompetenz zu den Schwerpunkten der Ausbildung unserer Lehramtsstudierenden.

Die Studierenden

  • formulieren Forschungsfragen sowohl für sich (Lesson Study) als auch für die Lernenden (Problemlösen)
  • planen Unterricht unter Nutzung der Didaktischen Rekonstruktion, der Basismodelle des Unterrichts und der Rückwärtsplanung
  • formulieren ihre Erwartungen zu ablaufenden Lernprozessen
  • führen den Unterricht in Kleingruppen durch
  • beobachten und hinterfragen das Unterrichtshandeln einzelner Lernenden
  • vergleichen ihre Beobachtungen mit den Erwartungen zu ablaufenden Lernprozessen und reflektieren die Ergebnisse
  • entwickeln den Unterricht anhand der gewonnenen Ergebnisse weiter
  • erstellen digitale Präsentationen
  • reflektieren ihren eigenen Lernzuwachs

Prüfungsleistung (zurzeit 3 KP für GHR; es ist angedacht, auf 6 KP zu erhöhen) ist die Darstellung der Ergebnisse (Lernaktivitätskurve), deren Interpretation, die Schlussfolgerungen daraus, der Ausblick auf weiteres Vorgehen sowie die Reflexion des eigenen Planungshandelns in digitaler Form (s. Vernetzung mit DiOLL).

Aktivitäten der Studierenden

Im SoSe 2020 wurde das Format zum ersten Mal mit 20 Studierenden unter Corona-Bedingungen durchgeführt. Die Corona-Pandemie erforderte eine Abwandlung des normalen Lesson-Study-Zyklus‘. Gestartet wurde im Plenum mit gemeinsamem Festlegen des Unterrichtsgegenstands und der Lernziele (Einführung des Energiebegriffs im Anfangsunterricht Sek1 (Energieformen, Energiewandler und Energieumwandlungen) und der Forschungsfragen. Im September 2020 erfolgte der Schulbesuch.

Fotos 3-4: Schülerlabor physiXS

Die Kontakte mussten so gering wie möglich gehalten werden, deshalb wurde Kleingruppenarbeit festgelegt. Jeweils zwei Studierende haben zwei Schüler:innen betreut, ein Studierender hat unterrichtet, der andere einen Lernenden beobachtet. Die Gruppen hatten dabei freie Wahl der Methoden und des Basismodells. Dies hatte neben der direkten Auswertung der eigenen Lesson Study auch den Vorteil, verschiedene Wege zum gleichen Ziel und deren Umsetzung beobachten zu können.

Um einen außerschulischen Lernort mit einbinden zu können, wurde ein Energiespaziergang gewählt. Die Studierenden sind mit ihren Schüler:innen nach dem Unterricht spazieren gegangen und haben in der Natur und der Umgebung nach Beispielen für Energiewandlungsprozesse gesucht. Durch diesen sehr Lebenswelt-bezogenen außerschulischen Unterricht konnte das vorher Gelernte gefestigt werden. Der Experimentiertag musste 2020 entfallen, da die Universität für Schülergruppen geschlossen war und das Experimentieren in Schulen durch den engen Kontakt untersagt war. Im Durchgang 2021 konnte unter Corona-konformen Bedingungen ein Experimentiertag in der Schule mit in die Unterrichtssequenz eingebettet werden.

Erfahrungen – Ergebnisse

Ein Fallbeispiel aus 2020 war besonders interessant, da hier die Lernaktivitätskurve klar gezeigt hat, dass die Ziele der einzelnen Lernschritte nur zum Teil oder gar nicht erreicht wurden. In der Nachbesprechung wurde reflektiert, dass Unterrichtsstruktur, klare Aufgabenstellungen und Möglichkeiten des Einübens des Konzepts gefehlt haben. Trotz dieses eher vernichtenden Urteils war dieses Format für die Studierenden ein wichtiger Schritt in Richtung reflexive Professionalisierung. Selbst zu sehen und zu beobachten, wie Schüler:innen auf das eigene Lehrerhandeln reagieren, war für viele Studierende ein Augenöffner! Sie haben gesehen, dass das eigene transmissive Handeln überdacht werden muss, hin zum  handlungsorientierten Arbeiten. Sie konnten erkennen, dass Kontexte mit Lebensweltbezug Schüler:innen zur Mitarbeit motivieren und dass strukturierte Aufgabenstellungen und Methoden Schüler:innen enorm helfen.

Graphische Darstellung einer beispielhaften Lernaktivitätskurve in SchAUplus.
Abb. 2: Beispiel Lernaktivitäskurve SchAU plus

Bewirkt diese Art der Planung von Unterricht denn nun, dass Lernprozesse angeregt und am Laufen gehalten werden? Ja und Nein! Studierende haben Schwierigkeiten sich auf diese Art der Unterrichtsplanung einzulassen und schaffen es oft nicht, Unterricht Lerner-gerecht zu planen. Die Lesson Study  macht dies sichtbar, an dieser Stelle durch eigene Unterrichtsforschung und Selbstreflexion. Die Kombination beider Methoden hat sich dabei als zielführend herausgestellt, da Studierende den direkten Vergleich von Planung und Beobachtung haben. Schwachstellen werden aufgedeckt und können verbessert werden. Die Reflexionskompetenz und damit auch die Planungskompetenz der Studierenden werden gefördert und gefordert.

Unsere Tools

Zu den im Seminar genutzten Methoden „Rückwärtsplanung“ und „Lesson Study“ finden sich die Quellen im Anhang oder es kann eine kurze Zusammenfassung hier abgerufen werden: Link zu unseren Tools.

Nutzung Digitaler Medien – Vernetzung mit DiOLL

Das Seminar wurde online (BBB) gehalten. Studierende, die aufgrund von Corona nicht am Unterricht in der Schule teilnehmen konnten, wurden digital hinzugezogen. Um den Studierenden den Umgang digitaler Medien zur Präsentation zu ermöglichen,  wurde ihnen freigestellt, ihre Ergebnis-Präsentation frei zu gestalten. Sie nutzten

  • Blogs
  • Podcasts
  • Lernvideos
  • Audio-Powerpoint-Präsentationen
  • Prezis …

Drei Beispiele finden Sie hier, die Studierenden hatten Spaß:

Videopodcast von Dani und Marius*2

Video-ppt-podcast von Marvin und Michael

Podcast von Julia, Nico und Jan

Literatur

Duit, R., Gropengießer, H., Kattmann, U., Komorek, M. & Parchmann, I. (2012). The Model of Educational Reconstruction – a Framework for improving Teaching and learning Science. In D. Jorde & J. Dillon (Hrsg.), Science Education Re-search and Practice in Europe. Retrospective and Prospective (S. 13-37). Rotterdam, Boston, Taipei: Sense Publishers.

Hattie, J. (2009). Visible Learning. London, New York: Routledge.

Hattie, J. (2013) Lernen sichtbar machen. Schneider Verlag Hohengehren GmbH; Baltmannsweiler.

Knoblauch, , R. (2017): Lesson Study – kooperative Weiterentwicklung des Lehrens und Lernens PÄDAGOGIK, 3/2017, S. 34 – 39.

Komorek, M. Fischer, A., Moschner, B. (2013) Fachdidaktische Strukturierung als Grundlage für Unterrichtsdesigns. In: Komorek, M. & Prediger, S (Hrsg.): Der lange Weg zum Unterrichtsdesign- Zur Begründung und Umsetzung fachdidaktischer Forschungs- und Entwicklungsprogramme. Sammelband in der Reihe Fachdidaktische Forschungen der GFD, Waxmann Verlag, Münster u.a.

Krabbe, H.; Zander, S.; Fischer, H. E. (2015): Lernprozessorientierte Gestaltung von Physikunterricht. Materialien zur Lehrerfortbildung. Münster, New York: Waxmann (Ganz In – Materialien für die Praxis).

Meentzen, U. Stadler, M. (2010): Wie Lehrkräfte bei der Reflexion über ihren Unterricht unterstützt werden können.  In: Lehrerinnen und Lehrer lernen Hrsg.: Müller, F., Eichenberger, A., Lüders, M. & Mayr, J.. Münster, Waxmann.

Mewald, C. (2019); Lesson Study – Definitionen und Grundlagen. In Mewald, C.; Rauscher, E. (Hrsg.) Lesson Study Das Handbuch für kollaborative Unterrichtsentwicklung und Lernforschung; StudienVerlag Innsbruck.

Mewald, C. (2) (2019); Die Beobachtungen in der Lesson Study. In Mewald, C.; Rauscher, E. (Hrsg.) Lesson Study Das Handbuch für kollaborative Unterrichtsentwicklung und Lernforschung; StudienVerlag Innsbruck.

Oser F. / Patry J.-L. (1990): Choreographien unterrichtlichen Lernens: Basismodelle des Unterrichts. (Berichte zur Erziehungswissenschaft Nr. 89). Freiburg (CH): Pädagogisches Institut der Universität Freiburg.

Rzejak, D. (2019): Zur Wirksamkeit von Lesson Study :Ein systematisches Review empirischer Studien. In Mewald, C.; Rauscher, E. (Hrsg.) Lesson Study Das Handbuch für kollaborative Unterrichtsentwicklung und Lernforschung; StudienVerlag Innsbruck.

Reusser, K., Pauli, C. & Zollinger, A. (1998): Mathematiklernen in verschiedenen Unterrichtskulturen – eine Videostudie im Anschluss an TIMSS. Beiträge zur Lehrerbildung, 16(3), 427 – 438.

Richter, C. & Komorek, M. (2017): Backbone – Rückgrat bewahren beim Planen. In: Wernke, S. & Zierer, K. (Hg.) Die Unterrichtsplanung: Ein in Vergessenheit geratener Kompetenzbereich?! Verlag Julius Klinkhardt, Bad Heilbrunn 2017. 

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