Allgemeines
Lehrende:r
Aleksandra Kappenberg
Veranstaltung
Sprachliche Heterogenität und Mehrsprachigkeit – ein Projekt zur Erfassung und Förderung der Sprachentwicklung in der Eingangsstufe
Modul
sop720 – Projekte Forschenden Lernens in Arbeitsfeldern der Sonder- und Rehabilitationspädagogik 1 und 2
Studiengang
Master of Education Sonderpädagogik
Fakultät
Fakultät I – Bildungs- und Sozialwissenschaften
Institut
Institut für Sonder- und Rehabilitationspädagogik
Semester
WiSe 21/22 und SoSe 22
Turnus
Block
Anzahl Studierende
26
KP des Moduls
6
Prüfungsform
Präsentation der Ergebnisse mit schriftlicher Ausarbeitung (Projektbericht)
Kategorien
Forschendes Lernen
Lehrkräftebildung
Deutsche Grundschulen werden von Kindern mit heterogenen Sprachbiografien und
-kompetenzen besucht. Laut dem aktuellen Bildungsbericht erwerben 21% der Kinder, die vor dem Schuleingang stehen, Deutsch als Zweitsprache (Autor:innengruppe Bildungsberichtserstattung, 2022). Weiterhin hat, unabhängig vom ein- und zweisprachigen Aufwachsen, deutschlandweit jedes fünfte Kind ein Jahr vor der Einschulung einen Sprachförderbedarf (Autorengruppe Bildungsberichtserstattung, 2020). Aus diesem Grund gewinnt die Aufgabe der Sprachstandserfassung und Förderung von sprachheterogenen Lerngruppen immer mehr an Bedeutung (Kappenberg, 2022). Diese Aufträge sind von essenzieller Bedeutung, denn sprachliche Kompetenzen gehören – neben kognitiven und sozio-emotionalen Fähigkeiten – zu den zentralen Voraussetzungen gelingender Bildungsprozesse und gesellschaftlicher Teilhabe (Becker-Mrotzek & Roth, 2017; Edele et al., 2020). Vor diesem Hintergrund liegt die Zielsetzung des Seminars darin, die heterogenen Sprachkompetenzen von Kindern in der Eingangsstufe zu erfassen und Kindern mit Sprachförderbedarf eine gezielte Förderung anzubieten.
Lehrkonzept im Überblick
Das Seminar fand in Kooperation mit einer Grundschule statt. Die Schule hat einen hohen Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund. Viele dieser Kinder erwarben Deutsch als Zweitsprache, kamen aus sozial benachteiligten Familien und wiesen einen Sprachförderbedarf auf. Am Projekt nahmen Kinder aus der Eingangsstufe (1. und 2. Klasse) teil, deren Eltern sich schriftlich für die Studienteilnahme bereit erklärt haben. Anknüpfend an die Erhebung des Sprachstandes (Wortschatz, Grammatik, phonologisches Arbeitsgedächtnis, Pragmatik / Erzählfähigkeiten) mit dem Marburger Sprach-Screening (MSS; Holler-Zittlau et al., 2017) haben die Studierenden unter der Leitung der Dozentin Sprachförderungen in Kleingruppen geplant, durchgeführt und diskutiert.
Ablauf des Seminars
Das Seminar wurde in die einzelnen Phasen des Forschungsprozesses nach Huber (2009) gegliedert. Basierend auf dem Research-based Teaching Ansatz (Healey, 2014) haben die Studierenden dabei eigenständig und aktiv geforscht.
Im Wintersemester arbeiteten sich die Studierenden in das Forschungsfeld ein, ermittelten den aktuellen Forschungsstand und identifizierten mögliche Forschungsfragen. Es wurden Gruppen aus jeweils zwei Studierenden gebildet; jeder Gruppe wurden drei bis fünf Kinder zugeordnet, die ähnliche sprachliche Auffälligkeiten im Bereich des Wortschatzes, der Grammatik oder der phonologischen Bewusstheit hatten. Darauf aufbauend wählten die Studierenden konkrete Diagnostik- und Fördermethoden aus und präzisierten ihre Forschungsfragen. In der vorlesungsfreien Zeit erfassten die Studierenden die Sprachkompetenzen der Kinder mit Sprachscreenings, die zuvor im Seminar erarbeitet wurden. Darauf aufbauend wurden konkrete Förderziele festgelegt und die Sitzungen detaillierter geplant. Für die Förderung wurden gängige, etablierte Konzepte wie das Zielorientierte Dialogische Lesen (Schütz, 2021), der Wortschatzsammler (Motsch et al., 2016) sowie Leichter Lesen und Schreiben Lernen mit der Hexe Susi (Forster & Martschinke, 2014) verwendet. Die Sprachfördersitzungen wurden zweimal wöchentlich in der vorlesungsfreien Zeit und im Sommersemester durchgeführt. Um die Entwicklung der Schülerinnen und Schüler zu ermitteln, wurden die Sprachscreenings nach dem Abschluss der Förderung wiederholt durchgeführt. Die Ergebnisse wurden in der Abschlussveranstaltung im Sommersemester von den Studierenden vorgestellt und gemeinsam reflektiert. Auch die Durchführung der Sprachscreenings und die Umsetzbarkeit der Sprachförderkonzepte wurden kritisch betrachtet.
Ergebnisse
Im Laufe der Sprachfördersitzungen konnten viele Schülerinnen und Schüler ihre sprachlichen Kompetenzen im Bereich des Wortschatzes, der Grammatik oder der phonologischen Bewusstheit erhöhen. Die Studierenden berichteten, dass viele Kinder im Laufe der Förderung selbstbewusster wurden und ihre Freude an sprachlicher Beteiligung erhöht hatten. Die Studierenden verfassten für jedes Kind einen kurzen Abschlussbericht zum Sprach- und Lernverhalten während der Förderphase sowie mit weiterführenden Sprachförderzielen. Die Berichte wurden anschließend an die Lehrkräfte weitergeleitet. Jede Gruppe fasste ihre detaillierten Ergebnisse im Rahmen eines Projektberichts zusammen.
Forschendes Lernen in der sonderpädagogischen Praxis
Durch das eigenständige Forschen konnte den Studierenden aufgezeigt werden, dass die professionelle Haltung einer Lehrkraft das ständige Hinterfragen vom eigenen Handeln voraussetzt. Es ist ein lebenslanges Ziel, die eigenen Kompetenzen forschend zu erweitern und die pädagogischen Prozesse in der Schule regelmäßig zu reflektieren. Durch die eigenständige Projektarbeit wurde den Studierenden ein Rahmen zur Erweiterung ihrer Forschungsexpertise und der sonderpädagogischen Handlungskompetenzen gegeben. Die praktische Umsetzung der Kleinprojekte ermöglichte den Erwerb von zentralen Schlüsselkompetenzen, wie das professionelle, evidenz-basierte Handeln und die Problemlösestrategien.
Erfahrungen im Seminar
Das Seminar wurde von den Studierenden in der abschließenden Evaluation sehr positiv bewertet. Besonders gut wurden die klare Struktur der Veranstaltung, praxisnahe Forschungsfragen und die vielen praktischen Arbeitsanteile in der Schule bewertet. Die Studierenden berichteten, dass sie im Laufe des Seminars ihr theoretisches Wissen mit der praktischen Umsetzung verknüpfen und ihre fachliche Expertise dadurch erweitern konnten.
Genutzte Medien
- Uni-Cloud zur Lagerung der Projektdaten
- Courseware
- Gruppenkalender
- BigBlueButton
Literatur
Autor:innengruppe Bildungsberichterstattung (2022). Bildung in Deutschland: Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zum Bildungspersonal. Bielefeld: wbv Publikation.
Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2020). Bildung in Deutschland 2020. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Bildung in einer digitalisierten Welt. Bielefeld: wbv Media.
Becker-Mrotzek, M. & Roth, H.-J. (2017). Sprachliche Bildung – Grundlegende Begriffe und Konzepte. In M. Becker-Mrotzek & H.-J. Roth (Hrsg.), Sprachliche Bildung – Grundlagen und Handlungsfelder (S. 11-36). Waxmann.
Edele, A., Kempert, S. & Stanat, P. (2020). Mehrsprachigkeit und Bildungserfolg. In: I. Gogolin, A. Hansen, S. McMonagle & D. Rauch (Hrsg.), Handbuch Mehrsprachigkeit und Bildung (S. 151-156). Springer.
Forster, M. & Martschinke, S. (2014). Leichter lesen und schreiben lernen mit der Hexe Susi. Übungen und Spiele zur Förderung der phonologischen Bewusstheit (10 Aufl.). Auer.
Healey, M. (2014). Linking Research and Teaching: A selected bibliography. Verfügbar unter: http://www.mickhealey.co.uk/resources (Zugriff am 09.08.2022).
Holler-Zittlau, I., Dux, W. & Berger, R. (2017). Marburger Sprach-Screening (MSS). Ein Sprachprüfverfahren für Kindergarten und Schule. Persen.
Huber, L. (2009): Warum Forschendes Lernen nötig und möglich ist. In: L. Huber., J. Hellmer & F. Schneider (Hrsg.), Forschendes Lernen im Studium (S. 9–35). Bielefeld: Universitätsverlag Webler. Verfügbar unter: http://www.fh-potsdam.de/fileadmin/user_upload/forschen/material-publikation/Huber_Warum_Forschendes_Lernen_noetig_und_moeglich_ist.pdf (Zugriff am 09.08.2022).
Kappenberg, A. (2022). Erfassung sprachlich-kommunikativer Kompetenzen von Vorschulkindern im Zweitspracherwerb. Methodische Perspektiven unter besonderer Berücksichtigung von Multimodalität. In: M. Spreer, M. Wahl & H. Beek (Hrsg.), Sprachentwicklung im Dialog: Digitalität – Kommunikation – Partizipation. Sprachheilpädagogik aktuell. Beiträge für Schule, Kindergarten, therapeutische Praxis (Bd. 4, S. 311-318). Deutsche Gesellschaft für Sprachheilpädagogik e. V., Schulz-Kirchner Verlag.
Motsch, H-J., Marks, D-K. & Ulrich, T. (2016). Wortschatzsammler. Evidenzbasierte Strategietherapie lexikalischer Störungen im Kindesalter (2. Aufl.). Ernst Reinhardt Verlag.
Schütz, D. (2021). Zielorientiertes Dialogisches Lesen zur Förderung morpho-syntaktischer Fähigkeiten. Forschung Sprache, 9(2), 111-117.