Allgemeines
Lehrende:r
Niklas Reinken
Veranstaltung
„Die schreckliche Deutsche Sprache!“ – Vorurteile über das Deutsche und ihre linguistischen Hintergründe
Modul
ger010 – Sprache und Kultur (Basismodul)
Studiengang
Deutsch – Erweiterungsfach Grundschule
Germanistik – Zwei-Fächer-Bachelor
Fakultät
Fakultät III – Sprach- und Kulturwissenschaften
Institut
Institut für Germanistik
Semester
SoSe 2022
Turnus
Wöchentlich
Anzahl Studierende
37
KP des Moduls
10 KP (davon 5 für das Seminar)
Prüfungsform
Posterpräsentation
Kategorien
Forschendes Lernen
Seminar
Sprach- und Literaturwissenschaften
Sprachliche Phänomene können vielfältig beschrieben und analysiert werden – je nach theoretischer Grundlage. Dieses Seminar fördert die forschende Grundhaltung, dass Wissenschaft ein Aushandlungsprozess zwischen verschiedenen Perspektiven ist.
Kurzbeschreibung, Inhalte und Lernziele
Das Seminar richtete sich an Bachelor-Studierende des zweiten Semesters in der Germanistik, die bereits eine Einführungsvorlesung zu Linguistik besucht hatten und grob mit linguistischen Phänomenen vertraut waren. Es wurde von 37 Studierenden belegt.
Sprachliche Phänomene können je nach Perspektive und je nach theoretischem Unterbau völlig unterschiedlich beschrieben werden. Ein Satz wie „Morgen geht er nach Hause“ kann z. B. in seiner linearen Abfolge beschrieben werden oder indem die Funktion der Satzglieder analysiert wird oder indem die semantische Leistung dieses Satzes aus den Bedeutungen seiner Bestandteile synthetisiert wird. Die Linguistik ist da sehr theorieoffen. Jede Grammatik ist ein Beschreibungsmodell für die Sprache – dazu zählen auch Normen und Regeln, die man aus dem Deutschunterricht kennt. Für Studienanfänger:innen ist das oft eine Erkenntnis, die mit ihren Vorstellungen über Sprache bricht.
Genau an dieser Stelle setzt das Seminar an: Ziel war es, schon früh im Studium zu erfahren, dass es vielfältige Beschreibungsmöglichkeiten für sprachliche Strukturen gibt und eben nicht die eine, ‚richtige‘ Grammatik. Wissenschaft sollte als Aushandlungsprozess verschiedener Meinungen begriffen werden.
Als Gegenstandsbereich wurden dazu Vorurteile über die deutsche Sprache ausgewählt, die in alltäglichen Gesprächen immer wieder auftauchen (»Das Deutsche hat so lange Wörter«, »Das Deutsche klingt so hart«, »Das Deutsche hat so viele Regeln und so viele Ausnahmen« usw.).
Forschendes Lernen
Indem diese Vorurteile reflektiert werden und in Bezug zu verschiedenen Beschreibungsperspektiven gesetzt werden, entwickeln die Studierenden ein „Forschendes Sehen“ (Reinmann, G., Vohle, F., Brase, A., Groß, N. & Jaensch, V. (2020). Forschendes Sehen – ein Konzept und seine Möglichkeiten. Impact Free 26. Hamburg.). Sie sehen sprachliche Phänomeme und üben sich darin, diese Beobachtungen wertfrei und objektiv zu beschreiben. Außerdem erfahren sie, dass eine wissenschaftliche Interpretation von Daten in hohem Maße von den zugrundeliegenden theoretischen Ansätzen abhängt. Das ist eine entscheidende Erkenntnis über wissenschaftliche Forschung, die für das weitere Studium einen großen Nutzen bieten kann. Denn erst nach dieser Erkenntnis sind Studierende in der Lage, verschiedene, sich vermeintlich widersprechende Forschungsergebnisse zueinander in Bezug zu setzen.
Prüfung und Bewertung
Die Prüfungsleistung war eine Posterpräsentation, die in Gruppen abgeleistet werden konnte. In ihrem wissenschaftlichen Poster sollten die Studierenden eine wissenschaftiche Theorie auf ein bekanntes Vorurteil des Deutschen anwenden. In den letzten Sitzungen des Seminars wurde eine Postersession durchgeführt, bei der die Studierenden sich gegenseitig ihre Poster präsentierten.
Erfahrungen
Die Studierenden zeigten sich sehr offen und interessiert an den Vorurteilen, deren Lebensweltbezug sie selbst herausstellten. Die damit verbundenen linguistischen Theorien wirkten auf manche zunächst abschreckend, weil sie z.T. äußerst formalistisch aussehen. In den Sitzungen konnten wir jedoch nach einer grundlegenden Einführung rasch herausarbeiten, was der Kern der jeweiligen Theorie ist und wie sie sich voneinander unterscheiden. Die Studierenden entwickelten schnell einen Blick dafür, welche Vor- und Nachteile eine Beschreibungsmethode hat und auf welche grammatischen Bereiche sie sich besonders gut anwenden lässt.
Sehr neugierig waren die Studierenden auch auf die Prüfungsleistung, das wissenschaftliche Poster. Viele baten darum, in einer eigenen Sitzung zu lernen, wie ein solches Poster gestaltet werden müsse. In dieser Sitzung bin ich insbesondere auf Grundregeln zum Design eingegangen sowie zur Struktur und Visualisierung eines solchen Posters. Dazu präsentierte ich echte wissenschaftliche Poster als Best- und Worst-Practice-Beispiele.
In den Prüfungsleistungen wählten die meisten Studierenden entweder ein Thema aus der Soziolinguistik (wohl, weil es eine vermeintlich größere Verankerung im Alltag hat) oder sie erklärten ein Phänomen mithilfe der Optimalitätstheorie, die eine Reihe von grammatischen Beschränkungen so miteinander in Beziehung setzt, dass sie konfligierende Regeln ergeben, die eine bevorzugte Struktur erklären können.