Allgemeines

Lehrende*r
Prof. Dr. Corinna Hößle

Veranstaltung
Lehren und Lernen auf Spiekeroog

Modul
bio120 – Lehren und Lernen im Schülerlabor
bio121 – Lehren und Lernen im Schülerlabor

Studiengang
2-Fächer-Bachelor Biologie,
Master Biologie

Fakultät
Fakultät V – Mathematik und Naturwissenschaften

Institut
IBU, AG Biologiedidaktik

Semester
SoSe 2023

Turnus
Block

Anzahl Studierende
10

KP des Moduls
3

Prüfungsform
Entwicklung und Implementation einer Lerneinheit

Kategorien
Forschendes Lernen
Mathematik und Naturwissenschaften
Praktikum
Praxis
Seminar
Stud.IP
Video

Um den Begriff des Forschenden Lernens entfaltet sich aktuell eine breite Diskussion (Hößle, Plewka, Warnstedt 2022; Wulf, Haberstroh & Petersen, 2020; Mieg & Lehmann, 2017). Diese findet in Bezug auf „Unterrichtsforschung“ eine weitere Vertiefung in der Aufsatzsammlung von Brinkmann (2020). Das vorzustellende Seminar schließt sich dem offenen Verständnis von Fichten & Meyer (2014) an und fordert Studierende explizit auf, an eigenen Fragestellungen und Problemen zu arbeiten, einen Theoriebezug herzustellen, empirisches Wissen einzubeziehen, den Forschungsprozess selbstständig zu durchlaufen und dabei „eine reflexive Distanz zur eigenen Forschungsarbeit herzustellen“ (ebd., S. 21). Gleichzeitig folgt das Seminar der Konkretisierung durch Huber (2009): „Forschendes Lernen zeichnet sich dadurch aus, dass die Lernenden den Prozess eines Forschungsvorhabens, …, in seinen wesentlichen Phasen – von der Entwicklung der Fragen und Hypothesen über die Wahl und Ausführung der Methoden bis zur Prüfung und Darstellung der Ergebnisse in selbstständiger Arbeit oder in aktiver Mitarbeit in einem übergreifenden Projekt – (mit)gestalten, erfahren und reflektieren“ (Huber 2009, S. 11).

Das vorzustellende Seminar zeichnete sich dadurch aus, dass die Studierenden den gesamten (Unterrichts)Forschungsprozess durchlaufen und dadurch ein hoher Grad an Gestaltungsfreiheit und „Forschungserleben“ erworben wurde. Der Prozess wurde in sechs Schritte ausdifferenziert und auf das Thema „Unterrichtsforschung “ angewandt (Abb. 1):

Abbildung 1: Prozess der Unterrichtsforschung im Lernlabor Spiekeroog

Seminarstruktur

Im Rahmen der universitären Kooperation mit der Forschungseinrichtung Wittbülten auf Spiekeroog besteht in jedem Sommersemester für 11 Studierende des Lehramtes Biologie die Möglichkeit, Lernende der Hermann Lietz-Schule oder einer Oldenburger Schule an drei aufeinanderfolgenden Tagen im Schülerlabor zu unterrichten und Lehrerfahrungen zu sammeln. (Ausgangssituation). In diesem Jahr waren Schülerinnen und Schüler der Liebfrauenschule Oldenburg unsere Gäste. Diese wiesen ein erstaunlich hohes Leistungsniveau auf und waren sehr motiviert, diszipliniert und konzentriert, was eine besonders gute Ausganssituation für Lehranfänger ist, da die Diagnose von Lernprozessen dadurch gut eingeübt werden kann. Aber zunächst soll ein Blick auf den Start des Seminars geworfen werden:

1. In einem ersten Schritt wurden die neun Studierenden des Seminars aufgefordert, sich einen individuellen Unterrichtskontext aus dem Themengebiet Ozeane auszuwählen und diesen didaktisch und methodisch auf die Lerngruppen auszurichten (6 Klasse Liebfrauenschule, die zeitgleich auf der Insel waren).

2. Im Anschluss erfolgte eine Einführung in die Grundlagen der Unterrichtsforschung durch die Dozierenden. Dabei wurden unterschiedliche Modi und Themen der Unterrichtsforschung exemplarisch vorgestellt, sodass Einblicke in den generellen Aufbau einer wissenschaftlichen Studie und in qualitative Forschungsmethoden ermöglicht wurde. 

3. Zusätzlich wurden die Studierenden in die Grundlagen und rechtlichen Aspekte des Erstellens von OER-Materialien eingeführt. Dies erfolgte mit dem Ziel, dass alle Lerneinheiten im Anschluss an das Seminar in twillo und auf der Internetseite des Lernlabores Wattenmeer erscheinen und der Gesellschaft zur Verfügung stehen.

4. Nach diesen theoretisch ausgerichteten Phasen wurde den Studierenden im Sinne eines „Think Tanks“ die Möglichkeit des Austauschs an einem runden Tisch über mögliche individuelle Forschungsfragen gegeben. Während des sich entwickelnden Prozesses entwickelten sich Forschungsschwerpunkte:
(1) Ermittlung von Schülervorstellungen,
(2) Diagnostizieren von Lernschwierigkeiten, 
(3) Diagnostizieren digitaler und naturwissenschaftlicher Kompetenzen im Umgang mit digitalen Medien wie Mentimeter, Karhoot und Lernvideos,
(4) Reflektion der eigenen erworbenen fachdidaktischen und methodischen Kompetenzen durch das wiederholte Unterrichten,
(5) Reflektion des Umgangs mit und der Entwicklung von OER -Lehr und Lernmaterialien 

In Anlehnung an die jeweils formulierte Forschungsfrage folgte die individuelle Literaturrecherche, die sowohl den inhaltlichen Unterrichtskontext betraf:
(a) Plastik im Ozean
(b) Plankton
(c) Lärm im Ozean
(d) Überfischung der Meere 

als auch den zu beforschenden Gegenstand ((1)-(5)).
Alle Studierenden wurden aufgefordert, die Punkte (4) und (5) forschend zu reflektieren, während die Punkte (1)-(4) wahlweise untersucht werden konnten.

5. Im fünften Schritt des Projektes wurden die Studierenden aufgefordert, geeignete Methoden auszuwählen, anhand derer eine Erhebung erfolgen konnte. Dabei wurden Unterrichtsbeobachtungen, Lernaufgaben, lautes Denken und fehlerfreies Experimentieren als qualitative Forschungsmethoden ausgewählt. Die Methoden sollten es ermöglichen, den zu beforschenden Gegenstand während des Unterrichtens auf Spiekeroog zu erfassen. Die Studierenden wurden also aufgefordert, den Unterricht sowohl aus der Sichtweise der Lehrkraft als auch aus der Perspektive des Forschenden zu betrachten. Beide Perspektiven wurden miteinander verwoben. So konnte eine nachhaltig forschende Perspektive auf Unterricht geübt werden, die es den angehenden Lehrern ermöglichte, sich sowohl auf die anstehende Masterarbeit vorzubereiten und  sich in der Haltung des Forschenden zu üben. Die Studierenden entwickelten Diagnoseaufgaben, anhand derer sie zusätzlich ihre Forschungen durchführen und Ergebnisse sammeln konnten.

Abbildung 2: Schüler der Liebfrauenschule erforschen den Einfluss der Temperatur auf die Meeresströmung und die dadurch verursachte Verteilung von Mikroplastik im Ozean

6. Nach dieser umfassenden Vorbereitung stand die Umsetzung des geplanten Lehrvorhabens auf der Insel Spiekeroog auf dem Plan. Dazu besuchten die Studierenden das Lehr- und Lernlabor in Wittbülten. Nach jeder praktischen Unterrichtsphase erfolgte sowohl ein Blitzlicht im Plenum, in dem die Unterrichtserfahrungen eingefangen und gemeinsam reflektiert wurden, als auch ein 45 Minuten umfassendes Einzelgespräch zwischen dem Dozenten und dem Unterrichtenden. Auf diese Weise erhielten die Studierenden umfangreiche Rückmeldungen zu ihrem Unterricht sowie zu Ihren erforschten Gegenständen (Lernschwierigkeiten, Schülervorstellungen etc.). Diese Gespräche wurden von den Studierenden sehr geschätzt und als eine positive Chance zur Entwicklung der Lehrkompetenz wahrgenommen. Insbesondere der geschützte und Angst freie Raum, der den Studierenden in dem unbenoteten Seminar geöffnet wurde, stieß auf sehr viel Zustimmung.

7. Zum Ende des Seminars wurde eine Klausurtagung durchgeführt, in der die Studierenden ihre Gesamtergebnisse noch einmal dem Plenum präsentierten. Der Fokus lag auf der Darstellung der Forschungsergebnisse, die in der gesamten Woche gesammelt werden konnten. Die Darstellungsform war frei wählbar. Es wurden Power Point Präsentationen, Plakate, Tafelanschriebe und freie Vorträge gewählt. Die Studierenden präsentierten sehr gute Forschungsergebnisse. So wurden z.B. Schülervorstellungen, die anhand von expliziten Lernaufgaben erhoben wurden, präsentiert und Lernschwierigkeiten sowie die digitalen Kompetenzen und die Motivationsverläufe der Lernenden. Die Studierenden überzeugten durch die forschende Haltung, die sie sich während des gesamten Seminares erworben hatten und zeigten einen hohen Confidence-Index.

8. Abschließend wurden zusätzlich 45 Minuten umfassende Gruppeninterviews durchgeführt, um Rückmeldungen bezüglich des Umgangs und der Erstellung von OER Materialien zu erhalten. Die Ergebnisse werden zur Zeit anhand der qualitativen Inhaltsanalyse im Rahmen einer Dissertation von Anja Wübben ausgewertet. Die im Rahmen des Projektes entwickelten Lerneinheiten können in Kürze als OER Materialien abgerufen werden! 

Abbildung 3: Studierende des Seminars reflektieren ihre Unterrichtserfahrungen im Plenum unter Heranziehung der entwickelten Materialien (Muschelbretter).