Allgemeines

Lehrende*r
Nadine Dji-Yung Pirsch

Veranstaltung
Forschendes Lernen mit Textprozeduren: Unterschiedliche Perspektiven auf den Gegenstand unter Einbezug von Textsorten der Sekundarstufe

Modul
ger246 – Sprachlich-literarische Sozialisation (Sekundarstufe)

Studiengang
Deutsch – Erweiterungsfach Grundschule, Deutsch – Master of Education (Wirtschaftspädagogik), Zwei-Fächer-Bachelor Germanistik

Fakultät
Fakultät III – Sprach- und Kulturwissenschaften

Institut
Institut für Germanistik/Fachdidaktik Deutsch

Semester
WiSe 2023/24

Turnus
wöchentlich

Anzahl Studierende
10

KP des Moduls
6

Prüfungsform
Moderation mit schriftlicher Ausarbeitung

Kategorien
Forschendes Lernen
Lehrkräftebildung
Seminar
Sprach- und Literaturwissenschaften
Stud.IP

Insbesondere im fachdidaktischen Bereich liegen die Erwartungen der Studierenden und die Ziele der Lehrveranstaltung oftmals weit auseinander. Befragt man Studierende zu Beginn des Semesters hinsichtlich ihrer Wünsche und Erwartungen an die Veranstaltung, so werden oftmals lediglich Wünsche nach Einblicken in die Praxis sowie nach methodischen Tipps geäußert. Wenige Erwartungen werden hingegen mit Blick auf die Fachdidaktik als empirisch forschende Wissenschaft formuliert. Die Zielsetzung des Seminars besteht deshalb vor allem darin, dass die Studierenden die Sprachdidaktik Deutsch als wissenschaftliche Disziplin begreifen lernen und gleichzeitig durch ihre eigene Forschung an einem konkreten fachdidaktischen Gegenstand – den Textprozeduren – auch als solche erleben. Gleichzeitig dient es aufgrund der Heranführung an empirische Arbeitsweisen als Vorbereitung für weitere wissenschaftliche Arbeiten, wie z. B. Abschlussarbeiten.

Inhalte und Lernziele

Der inhaltliche Fokus der Veranstaltung liegt auf dem sprachdidaktischen Konzept der Textprozeduren. Bei den Textprozeduren handelt es sich um Kombinationen von Handlungsschema und Ausdruck (Feilke 2014): Ausdrücke, aus denen sich Texte zusammensetzen, wie zum Beispiel „Liebe*r…“, „meiner Meinung nach“ oder „…wird untersucht, inwiefern“ werden in der Vermittlung an Handlungsschemata – hier: des Adressierens, des Positionierens und des Aufstellens von Forschungsfragen – geknüpft. Diese Verknüpfung kann für den Aufbau von Schreibkompetenz produktiv genutzt werden, da die Entdeckung und Analyse den Texten zugrundeliegender Handlungsschemata Lernende dabei unterstützen kann, ein vertieftes Verständnis für Textprodukte aufzubauen, welches über das simple Auswendiglernen von Textausdrücken hinausgeht. Dieses Verständnis kann dann insbesondere auch für die Rezeption und Produktion von eigenen Texten genutzt werden. Zur Arbeit mit Textprozeduren schlagen Feilke und Rezat (2020: 12) zunächst ein textvergleichendes gemeinsames Lesen vor, bei dem der Fokus insbesondere auf die Textqualität gelegt wird. Gemeinsam wird über die Qualität gesprochen und ausgehandelt, anhand welcher (sprachlichen) Aspekte sich Qualitätsunterschiede festmachen lassen. Hieran anschließend werden die Textprozeduren ermittelt, geordnet und für das Schreiben fruchtbar gemacht.

Für die Umsetzung im Seminarkontext bedeutet dies, dass die Studierenden sich einerseits über das Konzept der Textprozeduren selbst eine neue Textsorte (Abstract) erschließen und andererseits auch erarbeiten, wie dieses Konzept mit Blick auf unterschiedliche Textsorten für schulische Lehr-Lern-Prozesse fruchtbar gemacht werden kann. Dabei sollen sie unterschiedliche Textsorten hinsichtlich prototypischer Textprozeduren analysieren und die Ergebnisse der Analyse für die Erstellung von Lernmaterialien und -aufgaben nutzen. Auch werden erwerbsbezogene Aspekte beleuchtet, indem anhand eines Korpus von Schüler*innentexten Entwicklungstendenzen mit Blick auf unterschiedliche Handlungsschemata und Ausdrücke abgeleitet werden.

Neben den gegenstandsbezogenen Inhalten sollen die Studierenden auch an unterschiedliche Forschungs- und Auswertungsmethoden herangeführt werden. In kleinen Forschungsprojekten soll ihnen die Möglichkeit geboten werden, diese zu erproben.

Durch das kooperative Arbeiten und den ständigen Austausch mit der Seminargruppe sowie die Anforderung, ein Projekt in einem zeitlich vorgegebenen Rahmen durchzuführen, arbeiten die Studierenden zusätzlich an ihren Soft Skills, wie zum Beispiel an ihrer Teamfähigkeit, ihrer Fähigkeit zum strukturierten Arbeiten und auch an ihrem Zeitmanagement.

Am Ende der Veranstaltung sollen die Studierenden das Konzept der Textprozeduren für sich erschlossen und erste Erfahrungen mit schreibdidaktischer Forschung gesammelt haben. Konkret bedeutet dies, dass sie das Konzept der Textprozeduren hinsichtlich seiner Chancen und Grenzen für die schulische Praxis reflektieren und die sich hieraus ergebenden Möglichkeiten für die schulische Vermittlung auf Basis der durch die Forschungsprojekte gesammelten Erfahrungen abwägen und nutzen können.

Aktivitäten der Studierenden und Methodenauswahl

Die Studierenden werden im Rahmen des Seminars auf unterschiedlichen Ebenen aktiv: Zum einen als Lernende, welche sich den Gegenstand der Textprozeduren erschließen, zum anderen aber auch als Forschende, welche Erwerbs- und Vermittlungsperspektiven mit Blick auf den Gegenstand untersuchen.

Zunächst soll die Rolle der Studierenden als Lernende beleuchtet werden: Die Studierenden erarbeiten zu Beginn theoretisch das Konzept der Textprozeduren, wobei sie nach der Lektüre eines Einführungstextes in Gruppenarbeiten Definitionen des Textprozeduren-Begriffs formulieren und überarbeiten:

In einem nächsten Schritt wird den Studierenden durch die Lehrperson eine Möglichkeit des Einsatzes von Textprozeduren in Vermittlungsprozessen vorgeführt. Dazu wird die den Studierenden noch unbekannte Textsorte Abstract eingeführt. Unterschiedliche Abstracts werden dabei zunächst von den Studierenden gelesen und hinsichtlich wiederkehrender sprachlicher Ausdrücke analysiert. Im Anschluss werden anhand dieser Ausdrücke unterschiedliche Handlungen, wie Forschungsstand darlegen, Forschungslücke benennen, Forschungsfrage stellen, Methoden beschreiben etc. erarbeitet und die Ausdrücke den jeweiligen Handlungen zugeordnet. Der Vergleich unterschiedlicher Abstracts, die Herausarbeitung wiederkehrender sprachlicher Muster und die Zuordnung zu Handlungsschemata, die beim Verfassen von Abstracts realisiert werden müssen, tragen dazu bei, ein erstes Verständnis für die Textsorte zu entwickeln. Die sich hieran anschließende Aufgabe, ein eigenes Abstract für das Forschungsprojekt zu verfassen, kann dieses Verständnis weiter vertiefen. Die Studierenden werden dabei explizit angehalten, sich der erarbeiteten Textprozeduren zu bedienen, was zu einer Entlastung des Schreibprozesses beitragen soll. Auch dürfen die Studierenden das Abstract kooperativ in Teams von zwei Personen verfassen, wodurch das Risiko eventuell auftretender Schreibblockaden minimiert werden soll. Zu jedem Abstract erhalten die Studierenden zudem formatives Feedback durch die Lehrperson, was insbesondere den Studierenden, welche bisher wenig Erfahrung mit wissenschaftlichen Arbeitsweisen sammeln konnten, dabei helfen kann, ihre Texte zu überarbeiten und ihre Projekte einzugrenzen und zielgerichtet durchzuführen.

Für die Beschreibung der Aktivitäten der Studierenden in ihrer Rolle als Forschende muss zunächst die Seminarstruktur in den Blick genommen werden. Das Seminar ist Teil eines Moduls, zu dem ein weiteres Seminar gehört, welches einen anderen Bereich der Didaktik abdeckt. Diese Modulstruktur hat zur Folge, dass nur die Hälfte der Studierenden eine Prüfungsleistung in dem hier beschriebenen Seminar ablegen wird. Da dennoch alle Seminarteilnehmenden Forschungsprojekte durchführen sollen, sind die einzelnen Projekte in ihrem Umfang unterschiedlich groß angelegt.

Die Studierenden, welche keine Prüfungsleistung absolvieren, erarbeiten gemeinsam eine größere Forschungsfrage. Hierbei untersucht jeweils ein Zweierteam einen Aspekt der Forschungsfrage. In dem konkreten Seminarkontext bedeutet dies, dass die Grundlage für die Forschung der Studierenden ein bereits verfügbares Textkorpus von Grundschüler*innen ist (Augst et al. 2007). Es müssen von den Studierenden demnach keine eigenen Daten erhoben werden. Das Korpus soll hinsichtlich der Realisierung unterschiedlicher Textprozeduren für die Textsorte Spielanleitung untersucht werden, wobei je ein Zweierteam die Texte hinsichtlich zweier Textprozeduren untersucht. Für die Präsentation der Ergebnisse erarbeitet jedes Team im Laufe des Semesters ein eigenes Poster.

Die Studierenden, welche die Prüfungsleistung absolvieren, arbeiten ebenfalls in Zweierteams, erarbeiten jedoch eine eigene Forschungsfrage und bereiten zusätzlich noch eine Moderationssitzung vor. Mit Blick auf die Moderationssitzungen erhalten die Studierenden zwei Möglichkeiten: Sie stellen entweder einen inhaltlichen Aspekt ihrer Forschung vor und diskutieren diesen mit ihren Kommiliton*innen oder sie stellen ein bis zwei geeignete Erhebungs- bzw. Auswertungsverfahren vor und erhalten im Seminar die Chance, diese auch bereits mit ihren Kommiliton*innen zu testen. So können innerhalb des Seminars beispielsweise Entwürfe von Fragebögen diskutiert, die Methode des Lauten Denkens getestet, das Erstellen von Annotationsrichtlinien besprochen oder Kriterienkataloge für Ratingverfahren erstellt und diskutiert werden. Die Moderationssitzungen sind folglich nicht losgelöst von den Forschungsprojekten zu betrachten, sondern sollen dazu dienen, dass die Studierenden sich bereits mit unterschiedlichen und für ihre Forschung relevanten Aspekten im unmittelbaren Seminarkontext auseinandersetzen.

Mit Blick auf die Forschungsprojekte der Studierenden mit Prüfungsleistung ist darüber hinaus anzumerken, dass sie in ihrem Umfang größer sind. Neben Korpusanalysen ist es den Studierenden beispielsweise auch möglich, ihre Forschungsprojekte an (außer)schulischen Orten mit Lernenden durchzuführen. Dort können die Studierenden dann zum Beispiel im Rahmen des Seminars entwickeltes Lernmaterial in experimentellen Studien testen. Die Studierenden müssen hierfür das Material entwickeln, es im Unterricht einsetzen und im Rahmen der Erhebung entstandene Schüler*innentexte auswerten. Um die Studierenden zumindest hinsichtlich der bürokratischen und formalen Aspekte, die mit der Forschung an Schulen einhergehen, zu entlasten, wird mittels der bei forschen@studium eingeworbenen Gelder eine studentische Hilfskraft eingestellt. Diese unterstützt die Studierenden bei der Durchführung ihrer Projekte, indem sie zum Beispiel die Anträge für das kleine Verfahren (Nds.Verbund zur Lehrkräftebildung 2024) verfasst oder auch die erhobenen Texte transkribiert.

Zur Unterstützung der Studierenden bei ihren Projekten werden neben regelmäßigen Sprechstunden auch freiwillige, dreistündige Analyse- und Auswertungsworkshops angeboten. Die Studierenden können diese Workshops nutzen, um außerhalb des Seminarkontextes weiter an ihren Projekten zu arbeiten. Bei diesen Workshops werden zu Beginn die individuellen und innerhalb der Workshop-Zeit zu erreichenden Ziele kommuniziert und anschließend wird über mehrere Arbeitsphasen hinweg intensiv an den Projekten gearbeitet. Eine Arbeitsphase dauert dabei 40 Minuten. Hieran schließt sich eine zehnminütige Pause an. Die Studierenden können die individuellen Arbeitszeiten von 40 Minuten auch für Beratungsgespräche mit der Lehrperson nutzen.

Zur Unterstreichung der Relevanz und Bedeutsamkeit der studentischen Forschungsprojekte wird zum Ende des Semesters eine Studierendentagung organisiert, auf der die Studierenden ihre Ergebnisse auf Postern und in einem zweiminütigen Poster-Pitch vorstellen. Hierfür wird auch ein externer Keynote-Vortrag organisiert, der die Tagung mit einer weiteren Perspektive auf Textprozeduren rahmen soll. Die Tagung ist hochschulöffentlich, sodass auch interessierte Studierende und Lehrende daran teilnehmen können. Als besonderer Anreiz für die Studierenden wird zur Tagung auch eine Poster-Jury eingeladen, welche aus Professor*innen, Vertreter*innen des Mittelbaus sowie dem*r externen Keynote-Vortragenden besteht. Diese Jury soll am Ende des Tagungstages ein Gewinner*innen-Team aus allen teilnehmenden Studierenden (mit und ohne Prüfungsleistung) küren.

Ein junger Mann posiert neben einer Stellwand
Abbildung 1: Philipp Treinies bei der Vorstellung seines Posters

Zuletzt soll noch hervorgehoben werden, dass es für die Durchführung des Forschenden Lernens mit Bachelor-Studierenden von Lehrendenseite notwendig ist, den Studierenden das Gefühl zu vermitteln, dass sie Teil einer Forschungsgemeinschaft sind. Das bedeutet, dass ein Modus vorherrschen sollte, in dem die Studierenden alle ihre Fragen und Probleme offen und angstfrei artikulieren dürfen und auch das Gefühl erhalten, ernst genommen zu werden. Um diesem Anspruch gerecht werden zu können, kann es sein, dass Lehrende mehr Zeit in dieses Seminar investieren müssen, als es bei anderen Seminaren der Fall ist. Die mit dem Forschenden Lernen im Bachelor-Studium einhergehende Betreuungsintensität spiegelt sich beispielsweise in einer erhöhten Anzahl an zu beantwortenden E-Mails, einem erhöhten Angebot an Sprechstunden, schriftlichen/mündlichen Rückmeldungen oder aber auch in Anschreiben an die Schule zur Beantragung kleiner Verfahren wider. Das Forschende Lernen bedeutet demnach sowohl für Studierende als auch für Lehrende einen erhöhten Zeitaufwand, der aber durch den aus der praktischen Anwendung resultierenden Lernzuwachs um ein Vielfaches ausgeglichen wird.

Eine junge Frau posiert neben einer Stellwand
Abbildung 2: Denise Dreiser bei der Posterpräsentation

Prüfung und Bewertung

Im fachspezifischen Teil der Prüfungsleistung ist für das Modul ger246 eine Moderation mit schriftlicher Ausarbeitung vorgesehen. Die schriftliche Ausarbeitung besteht in diesem Seminar aus einem erweiterten Abstract und einem Poster. In dem erweiterten Abstract stellen die Studierenden den Forschungsdiskurs dar, leiten hieraus ihre Forschungsfrage ab, stellen ihre Methodik sowie ihre Ergebnisse dar und leiten ein Fazit für die schulische Praxis ab. Das Poster stellt diesen Forschungsprozess in verknappter Form anschaulich dar.

Für die Bewertung wird ein Kriterienkatalog angelegt. Dieser besteht aus drei Teilen: einem Teil für das erweiterte Abstract, einem für das Poster sowie einem für Formalia und allgemeine wissenschaftliche Arbeitsweisen. Der Teil für Formalia und allgemeine wissenschaftliche Arbeitsweise macht hierbei ein Drittel der zu erwerbenden Punkte aus, da es sich bei den Studierenden um Bachelor-Studierende handelt und hier weiterhin ein Schwerpunkt auf dem Erwerb wissenschaftlicher Arbeitsweisen liegen sollte.

Neben der eigentlichen Prüfungsleistung stellen die Studierenden ihre Poster einer unabhängigen Jury zur Bewertung vor. Da es sich um ein Modul handelt, bei dem die Hälfte der Studierenden die Prüfungsleistung in dem anderen Teilmodul ablegt, erhalten hier alle Studierenden des Seminars die Möglichkeit, ihre Forschungsergebnisse vorzustellen, bewerten zu lassen und zu diskutieren. Die unabhängige Poster-Jury, die aus Expert*innen aus den Bereichen Sprach- und Literaturdidaktik besteht, kürt im Rahmen der Studierendentagung das beste Poster mit einem Poster-Preis.

Erfahrungen

Zusammenfassend kann zunächst gesagt werden, dass sich das Konzept bei der Durchführung bewährt hat, was sich in den Rückmeldungen der Studierenden spiegelte: Sie verwiesen zwar darauf, dass sie vergleichsweise viel Zeit in ihre Forschungsprojekte investierten, aber dass sie das Gefühl hatten, etwas zu lernen und für die Zukunft mitzunehmen, weshalb sie bereit waren, die Arbeit zu investieren.

Es soll daher vornehmlich auf Erfahrungen verwiesen werden, welche in einem vorherigen Durchgang gemacht worden waren und zur Überarbeitung des Konzeptes geführt hatten. Im ersten Durchgang wurden in den unterschiedlichen Seminarsitzungen jeweils unterschiedliche Gegenstände der Sprachdidaktik beleuchtet. Dies führte dazu, dass keine vertiefte Betrachtung eines Gegenstandes erfolgte, sondern den Studierenden lediglich Forschungsbereiche eröffnet wurden; die vertiefte Auseinandersetzung mit dem gewählten Bereich aber außerhalb des Seminarkontextes erfolgen musste. Die Ergebnisse waren eine teilweise oberflächliche Betrachtung der zu untersuchenden Gegenstände und ein zeitlicher Mehraufwand für die Lernenden, die sich nebenbei auch noch wissenschaftliche Arbeitsweisen und Methoden aneignen mussten. In dem hier vorgestellten Konzept wurde daher nur ein Forschungsgegenstand fokussiert, dieser aber aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet. Die Studierenden entwickelten sich so über das Semester hinweg zu Expert*innen dieses Teilbereichs des Forschungsdiskurses und hatten auch die Zeit, Fragen zu stellen und sich kritisch zu positionieren.

Auch wurden im ersten Durchgang keine Sitzungen eingebaut, in denen ausschließlich Forschungsmethoden eingeführt und betrachtet werden sollten. Vielmehr wurden methodische Aspekte in inhaltliche Sitzungen integriert, was zu einer Verschmelzung von Inhalt und Methodik führte. Im zweiten Durchgang wurden die Sitzungen daher nach inhaltlichen und methodischen Sitzungen getrennt, um den Studierenden eine bessere Orientierung und mehr Transparenz bieten zu können.

Daneben konnte im ersten Durchgang festgestellt werden, dass insbesondere Lehramts-Studierende ein besonderes Interesse an Forschung im Feld haben. Aufgrund der mangelnden zeitlichen und personellen Ressourcen im ersten Durchgang konnte dies den Studierenden nicht ermöglicht werden – auch da Anträge bei der Landesschulbehörde früh im Semester eingereicht werden müssen, damit die Forschung noch innerhalb des Semesters erfolgen kann. Im zweiten Durchgang wurde den Studierenden daher eine studentische Hilfskraft zur Seite gestellt, die die Studierenden bei der Formulierung der Anträge unterstützte. Auch wurde den Studierenden in der ersten Sitzung ein Zeitplan zur Verfügung gestellt, der die Abgabe der Abstracts für die Anträge, die Abgabe des Antrags für die Landesschulbehörde, einen Zeitraum für die Rücksprache mit Schule/Eltern/etc. und einen Zeitraum für die Durchführung des Forschungsprojektes beinhaltete. Während des Semesters wurde immer wieder auf diesen Zeitplan verwiesen, da zeitliche Abweichungen dazu hätten führen können, dass die Projekte innerhalb des Semesters nicht mehr durchführbar gewesen wären. Dies führte auch dazu, dass die Studierenden ihre eigenen Zeitmanagementkompetenzen erweiterten.

Auch sollte sich die lehrende Person bereits vor Semesterbeginn nach Möglichkeiten zur Durchführung der Projekte an Schulen/in Bildungsinstitutionen erkundigen. Wenn die Studierenden nicht bereits an einer Schule arbeiten, ist es zum Teil schwierig, in der Kürze der Zeit eine Schule zu finden, an der die Projekte durchgeführt werden können. Zusätzlich müssen hier der Antrag und das Warten auf die Genehmigung durch die Landesschulbehörde sowie das Einholen der Einverständniserklärungen zeitlich eingeplant werden. Eine Gruppe von Studierenden führte daher ihre Projekte an der VHS Oldenburg durch, da hier der Weg über die Landesschulbehörde wegfiel. Die VHS Oldenburg bietet einen Vorbereitungslehrgangs zum Erwerb eines Schulabschlusses an, weshalb sich innerhalb dieser Kurse an dem Niedersächsischen Kerncurriculum orientiert wird. Der Vorbereitungslehrgang bot den Studierenden daher eine gute Alternative zur Forschung in der Schule. Einschränkend muss jedoch gesagt werden, dass die VHS Oldenburg nur im Wintersemester hierfür angefragt werden kann, da im Sommer keine Kurse mehr stattfinden.

Zuletzt soll noch auf Aspekte eingegangen werden, die sich bewährt haben und auch in zukünftigen Seminaren fortgeführt werden sollen:

  • Einbezug der Studierenden bei der Seminarplanung: Der Seminarplan war semi-statisch. Die ersten Sitzungen wurden zur Einführung in das Feld der Textprozeduren und zur Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten und in Erhebungsmethoden genutzt. Die nachfolgenden Sitzungen zu den unterschiedlichen Perspektiven auf den Gegenstand konnten aber von den Studierenden angeordnet werden. Auch wurden mehr Perspektiven aufgezeigt als es Seminarsitzungen gab, sodass die Studierenden wählen konnten, welche sie näher beleuchten wollten.
  • Studierendentagung zum Abschluss: Die Möglichkeit, ihre Forschungsprojekte vor Expert*innen präsentieren zu können, und das Gefühl, dass es sich nicht nur um eine weitere Leistung handelt, die lediglich zum Erwerb von Kreditpunkten führt, hat bei den Studierenden eine stärker intrinsische Motivation ausgelöst, was sich auch an der regen Teilnahme der Studierenden an den freiwilligen Analyse- und Auswertungsworkshop gezeigt hat. Auch dass die Keynote von einer Person gehalten wurde, von der die Studierenden im Laufe des Semesters Texte gelesen hatten, hat zu Begeisterung geführt.
  • Kollegialer Arbeitsmodus/kollegiale Arbeitsatmosphäre: Von Beginn des Semesters an wurde versucht, die in Benotungskontexten immer anzutreffenden Hierarchieverhältnisse zumindest in Teilen aufzubrechen. So wurde in der ersten Sitzung besprochen, was die Studierenden benötigten, um erfolgreich am Seminar teilnehmen und arbeiten zu können. Gemeinsam wurde beispielsweise beschlossen, dass man sich per Du ansprach und dass Fragen zu jeder Zeit gestellt werden konnten. Auch wurde transparent gemacht, warum die Seminarplanung nur in Teilen flexibel war. Alle in der ersten Sitzung getroffenen Entscheidungen zum Arbeitsmodus wurden nach den ersten Wochen auch noch einmal gemeinsam reflektiert und es wurde geprüft, ob sie weiterfortgeführt werden sollten.
Eine Studentin posiert neben einer Stellwand
Abbildung 4: Smilla Berkefeld, eine der Gewinnerinnen des Posterpreises, bei der Posterpräsentation

Literatur

Augst, Gerhard/Disselhoff, Katrin/Henrich, Alexandra/Pohl, Thorsten/Völzing, Paul-Ludwig (2007): Text – Sorten – Kompetenz. Eine echte Longitudinalstudie zur Entwicklung der Textkompetenz im Grundschulalter. Frankfurt a. M.: Lang. (Online verfügbar unter: https://www.uni-koeln.de/phil-fak/deutsch/pohl/tsk/content/korpus.htm [zuletzt abgerufen am: 27.09.2024]).

Feilke, Helmuth (2014): Argumente für eine Didaktik der Textprozeduren. Bachmann, Thomas/Feilke, Helmuth (Hg.) (2014): Werkzeuge des Schreibens. Beiträge zu einer Didaktik der Textprozeduren. Stuttgart: Fillibach bei Klett. S. 11–34.

Feilke, Helmuth/Rezat, Sara (2020): Textprozeduren. Werkzeuge für Schreiben und Lesen. In: Praxis Deutsch 281. S. 4–13.

Nds.Verbund zur Lehrkräftebildung (2024): Umfragen und Erhebungen in öffentlichen Schulen. Handreichung zur Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben. Online verfügbar unter: https://uol.de/fileadmin/user_upload/diz/download/Studium_und_Lehre/Umfragen_und_Erhebungen/Handreichung_AGUE_Ueberarbeitung_2024-07-22.pdf?v=1724242472 [zuletzt abgerufen am: 27.09.2024].