Allgemeines

Lehrende:r
PD Dr. Sylvia Jahnke-Klein

Foto von Dr. Sylvia Jahnke-Klein.

Veranstaltung
Das Gymnasium – gestern, heute, morgen? (schultheoretisches Seminar)

Modul
biw010 – Theorie der Schule

Studiengänge
Master of Education (Grundschule, Haupt- und Realschule, Gymnasium, Sonderpädagogik)

Fakultät
Fakultät I – Bildungs- und Sozialwissenschaften

Institut
Institut für Pädagogik

Semester
SoSe2019

Turnus
Wöchentlich

Anzahl Studierende
23

KP des Moduls
9 KP

Prüfungsform
Erstellen einer Lernstation, Durchführung eines Enrichment-Angebotes

Preis der Lehre 2018/19
Kategorie „Lehrveranstaltungsevaluation“

Kategorien
Bildungswissenschaften und Pädagogik
Lehrkräftebildung
Preis der Lehre
Projekt
Seminar

Im Modul „Theorie der Schule“ geht es um die Erarbeitung eines wissenschaftlich-theoretisch fundierten Verständnisses über pädagogisches Handeln und persönliche Entwicklung unter institutionellen, bildungspolitischen, schulrechtlichen und organisationspsychologischen Bedingungen.

Das Seminar „Das Gymnasium – gestern, heute, morgen?“ stellt schultheoretische Überlegungen zur Schulform Gymnasium an. Aufgrund der Bildungsexpansion ist das Gymnasium inzwischen die am häufigsten besuchte Schulform. Im Seminar wird unter anderem den Ursachen der Bildungsexpansion nachgespürt und auf die Konsequenzen für das Gymnasium eingegangen.

Seminaraufbau: Fundierte Kenntnisse vermitteln, Meinungsbildung und Austausch fördern

Zunächst vertiefen die Studierenden ihre Kenntnisse über den Aufbau des deutschen Bildungssystems, seine Besonderheiten im Vergleich zu anderen Bildungssystemen und aktuelle Entwicklungen im niedersächsischen Schulsystem wie Rückkehr zum G9, Abschaffung der Schullaufbahnempfehlung, Ausbau der Ganztagsschule oder Umsetzung der Inklusion.

Das Thema „Begabtenförderung“ gewinnt seit dem PISA-Schock immer mehr an Bedeutung und beschäftigt in besonderem Maße die Gymnasien. Den Studierenden wird dieses Thema durch den Gastvortrag eines Beraters für Begabtenförderung der Landesschulbehörde, der dazu auch Praxiserfahrungen ermöglicht, nähergebracht.

Da bildungspolitische Debatten nur verstanden werden können, wenn die historischen Hintergründe bekannt sind, wird anschließend in vier Sitzungen die Geschichte des Gymnasiums von den Anfängen bis zur Gegenwart betrachtet. Die Sitzungsthemen lauten:

  • „Von den Anfängen bis ins Kaiserreich: Das Gymnasium als Eliteschule“
  • „Die Demokratie hält Einzug in die Schule: Weimarer Republik, Reformpädagogik“
  • „Schule in der Diktatur: Nationalsozialismus, Zweiter Weltkrieg“
  • „Schule in der Nachkriegszeit: Konservative Rückbesinnung, Zersplitterung, 68er-Zeit, Oberstufenreform“.

Dabei steht die Wechselwirkung zwischen der Schule und dem jeweiligen politischen System und der Gesellschaft im Fokus. Das Gymnasium ist zu bestimmten Zeiten unter bestimmten politischen Bedingungen expandiert. Unmittelbar verbunden mit der Diskussion um die Expansion der höheren Bildung ist die Schulstrukturdebatte, die das deutsche Bildungssystem seit mehr als zweihundert Jahren begleitet. In einer Sitzung befassen sich die Studierenden explizit mit der Schulstrukturdebatte: Sie betrachten die Argumentationsstränge verschiedener Interessensgruppen, die sich im Laufe der Zeit verändern, vergleichen die aktuellen Schulstrukturen in den 16 deutschen Bundesländern und versuchen auf dieser Basis künftige Entwicklungen zu antizipieren.

Da Bildung jahrhundertelang ausschließlich ein männliches Privileg darstellte, befasst sich eine Seminarsitzung mit der Geschichte der höheren Mädchenbildung, bei der es sich zunächst um elementare Bildung für „höhere Töchter“ handelte. Die Studierenden erfahren, wie die erste deutsche Frauenbewegung den Zugang zu höherer Bildung für Mädchen mühevoll erkämpfte und die Mädchenbildung im Laufe der Zeit immer mehr expandierte. Heute gelten Jungen als „Bildungsverlierer“. Ein genauerer Blick zeigt jedoch, dass Jungen zwar Einschränkungen „erster Art“ erleben, da sie an den Übergängen im Bildungssystem scheitern, dies aber nur Risikogruppen betrifft und Mädchen Einschränkungen „zweiter Art“ erleben: Trotz besserer schulischer Qualifikation haben sie schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt.

Im Laufe des Semesters eignen sich die Seminarteilnehmer*innen auf der Basis fundierter Kenntnisse eine eigene Meinung zu aktuellen bildungspolitischen Themen an. Viele unterschiedliche Methoden tragen im Seminar zu einem regen Austausch bei.

Kugellager, Lerntempo-Duett und Fishbowl-Diskussion: Abwechslungsreiche methodische Gestaltung

Die Seminarsitzungen werden bis auf zwei Sitzungen von der Dozentin gestaltet, um im Sinne des „pädagogischen Doppeldeckers“ den Studierenden eine Vielzahl von Seminar- und Unterrichtsmethoden vorzustellen. Dazu gehören unter anderem die folgenden Methoden:

  • „Kugellager“ zum Bildungsauftrag der Schule und zu Veränderungen im deutschen Bildungssystem nach dem „PISA-Schock“,
  • „Meinungslinie“ zur Ökonomisierung von Bildung,
  • „Lerntempo-Duett“ zu den neuhumanistischen Bildungsvorstellungen Wilhelm von Humboldts im Vergleich zur realistischen Bildung,
  • „Fishbowl-Diskussion“, in der die Weimarer Reichsschulkonferenz (1920) simuliert wird,
  • „Gallery Walk“ im Zusammenhang mit einer Analyse von Schulbüchern aus der NS- Zeit,
  • „Vier-Ecken-Schreiben“ zur Schulstrukturdebatte,
  • „Stummes Schreibgespräch“ nach einem (mit verteilten Rollen vorgetragenen) Vor-trag zur Geschichte der höheren Mädchenbildung.

Darüber hinaus wird das Seminar durch eine Reihe von Filmausschnitten zur deutschen Schulgeschichte (mit Kommentaren von Zeitzeugen) aufgelockert.

An allen Seminaren sind mitwirkende Lehrer*innen beteiligt, die Bezüge zur aktuellen schulischen Praxis herstellen. Die Schulerfahrung der Dozentin trägt ebenfalls zur Praxisnähe des Seminars bei: Auf einer Meta-Ebene wird fortlaufend darüber reflektiert, wie der Vermittlungsprozess im Seminar abgelaufen ist.

Praxisorientierte Prüfungsformen: Lernstationen oder Begabtenförderung

Auch die Leistungsnachweise sind praxisorientiert ausgerichtet. Die Studierenden können zwischen zwei Prüfungsformen wählen:

a) Erstellen einer Lernstation, die sich vertiefend mit einzelnen Aspekten der Sitzungsthemen befasst – beispielsweise „Bildung als Ware“, „Ganztagsschule und neue Zeitmodelle“, „Schule und Unterricht in der Weimarer Republik am Beispiel des Alten Gymnasiums Oldenburg“, „Lehrerinnen: Zur Geschichte eines Frauenberufs“, „Schule in der DDR“ oder „Einführung der Gesamtschule in Schweden“. Alle von den Studierenden entwickelten Lernstationen werden in der 12. und 13. Seminarsitzung aufgebaut. Beim anschließenden Stationenlernen erproben die Seminarteilnehmer*innen in Partnerarbeit die Lernstationen ihrer Kommiliton*innen und geben schriftlich Feedback. Auf der Basis dieses Feedbacks können die Studierenden ihre Lernstationen noch zweimal verändern, bevor sie das Stationsmaterial zusammen mit einer Beschreibung der Stationsarbeit als Prüfungsleistung (Hausarbeit) einreichen. Auf diese Weise erwerben die Studierenden Kompetenzen, die für die Durchführung eines Stationenlernens im Schulunterricht notwendig sind, und vertiefen ihre Kenntnisse zu einzelnen Seminarthemen. Es besteht auch die Möglichkeit, die Lernstation als Webquest anzulegen und dadurch eine digitale Lehrmethode kennenzulernen.

Lernstation, die von zwei Personen bearbeitet wird.
Lernstation 1
Person mit Kopfhörern, die eine Lernstation am Laptop bearbeitet.
Lernstation 2

b) Durchführung eines Enrichment-Angebotes für begabte Schüler*innen am Gymnasium Bad Zwischenahn-Edewecht. Auf der Basis der in einer Seminarsitzung erworbenen Grundkenntnisse im Umgang mit besonders begabten Schüler*innen planen die Studierenden eine Doppelstunde zu einem Thema, das nicht zum Kerncurriculum gehört. Sie werden dabei von dem Berater für Begabtenförderung der Landesschulbehörde unterstützt, der ihnen auch die konkrete Umsetzung am Gymnasium Bad Zwischenahn-Edewecht ermöglicht. Im Anschluss reflektieren die Studierenden im Rahmen einer Hausarbeit über diese spezielle Unterrichtserfahrung.

Verbindung von Theorie und Praxis

Durch die Gestaltung der Seminarsitzungen und Prüfungsformen stehen (Schul-)Theorie und Praxis im Seminar in einem ständigen Wechselverhältnis. Dies ist aus professionstheoretischer Sicht eine notwendige Bedingung für die Professionalisierung angehender Lehrer*innen.