Allgemeines

Lehrende*r
Dr. Lucas Haasis

Veranstaltung
Playing the Prize Papers

Modul
ges132 – Geschichte der frühen Neuzeit
ges133 – Geschichte der frühen Neuzeit
ges134 – Westeuropäische Geschichte der Frühen Neuzeit

Studiengang
Bachelor Geschichte, Master Geschichte

Fakultät
Fakultät IV – Human- und Gesellschafts­wissenschaften

Institut
Institut für Geschichte

Semester
WiSe 2023/24

Turnus
wöchentlich und Block

Anzahl Studierende
16

KP des Moduls
6 bzw. 9

Prüfungsform
Portfolio

Kategorien
Forschendes Lernen
Lehrkräftebildung
Online-Meetings
Projekt
Seminar
Theologie, Geschichte und Philosophie
Video

Um was ging es?

Im Seminar Playing the Prize Papers am Institut für Geschichte wurde ein Brettspiel zu den Prize Papers entwickelt, einem einmaligen historischen Archivbestand, der hervorgegangen ist aus Schiffskaperungen zwischen 1652–1815.

Was sind die Prize Papers?

In der Epoche der Frühen Neuzeit waren Schiffskaperungen legal und ein wesentlicher Teil der taktischen Kriegsführung aller Seemächte. Die Dokumente an Bord der gekaperten Schiffe wurden konfisziert, um sie als Beweismittel in anschließenden Gerichtsprozessen einzusetzen. Dort musste der Beweis erbracht werden, dass es sich bei den gekaperten Schiffen um verfeindete Schiffe handelte. Nach den Prozessen wurden die Unterlagen eingelagert im Gerichtsarchiv und werden nun bis heute in den National Archives in London als Teil der Bestände des High Court of Admiralty verwahrt. Unter den erhaltenen Dokumenten befinden sich Schiffspässe, Logbücher und tausende Briefe. Die Briten haben Schiffe weltweit gekapert, sodass sich in London Unterlagen von mehr als 35 000 Kaperungen erhalten haben. Die Prize Papers werden heute im deutsch-britischen Akademienprojekt Prize Papers erschlossen und digitalisiert. Zu diesem Bestand ein Spiel zu entwickeln hat sich als einträgliches Lehrformat erwiesen. Die Studierenden haben einen Einblick in die Unterlagen des Kapergerichtshofs und ein breites Wissen über den historischen Kontext von Seekrieg bis Kolonialismus erhalten und gleichzeitig gelernt, Quellen der Zeit kritisch zu hinterfragen und zu analysieren und sie zugleich in spielerische und spielbare Komponenten zu überführen. Forschungsbasiertes Lernen hat „zum Experimentieren“ (FLiF, Grundlagenpapier, 12) geführt und zu fachlichen und methodischen Lerneffekten geführt. Das Seminar hat allen Beteiligten zudem Spaß gemacht, was einen Grundpfeiler spielerischen Lernens darstellt.

Was ist der Forschungskontext?

Im Seminar ging es darum, anhand bisher unerschlossener Originalquellen aus den Prize Papers gemeinsam ein neues Spiel zu entwickeln, das neben dem Unterhaltungswert auch einem Lehrzweck erfüllt. Dadurch wurden Fachkenntnisse bezogen auf die Epoche der Frühen Neuzeit sowie Kompetenzen im Bereich der Medienbildung, des forschenden Lernens und des kreativen Arbeitens geschult. Ein wichtiges Lernmoment im Seminar war auch die Team-Arbeit an einem gemeinsamen Produkt, inklusive der Rückschläge während des Entwicklungsprozesses, die gemeinsam überwunden wurden. Im Seminar wurde die aktuelle Forschung an den Prize Papers kombiniert mit der Forschung zu analogen Spielen, mit dem Ziel auf Grundlage dessen einen spielfähigen Prototypen herzustellen. Das experimentelle Format ist geglückt. Am Ende konnte das Spiel in einer öffentlichen Spielesession präsentiert und gemeinsam gespielt werden und das Publikum hat das Spielerlebnis in den Bewertungen für gut befunden. Als nächstes ist eine Kickstarter-Kampagne zum Spiel angedacht.

Spieleentwicklung
Spieletestung 1
Spieletestung 2
Spieleabend

Was lernten die Studierenden?

Die Prize Papers erlauben Rückschlüsse zu Themen wie Seekriegen, Handelswegen, Briefkommunikation, Sprachen, bis hin zu Revolutionen, Kolonialismus und Sklaverei in der Frühen Neuzeit. Alle diese Themen sind Themen, die durch Spiele bisher nur ungenügend repräsentiert werden. Die Spielforschung profitiert also von der Anbindung an konkrete Forschungsprojekte. Spiele in Bildungsinstitutionen nicht zu thematisieren ist ein Manko, weil bekannt ist, dass mittlerweile fast jeder zweite Mensch spielt (Game Jahresreport 2024) und diese Erfahrung unsere Geschichtsbilder prägt. Ein qualitativ hochwertiges Spielkonzept zu entwickeln und damit Aufmerksamkeit dafür zu schaffen, dass eine Auseinandersetzung mit diesen Themen auch im Spiel möglich ist, war ein höhergelegenes Ziel des Seminars. Durch die intensive Auseinandersetzung mit dem historischen Quellenbestand lernten die Studierenden die Quellenanalyse und zugleich ihre Erkenntnisse in ein kreatives Format umzusetzen. Sie verfügen nun neben den Fachkenntnissen auch über Grundkenntnisse in der Spielentwicklung.

Warum spielerisches Forschendes Lernen?

Ein Spiel zu den Themen der Prize Papers als Forschendes Lernen zu entwickeln, eigenständig, aus dem Seminar heraus, bei dem die Kreativität der Studierenden zusammentrifft mit dem Forschungseifer, den der Bestand hervorruft, repräsentiert eine lehrreiche Erfahrung für die Studierenden. Wie in einer Hausarbeit geht es bei der Spielentwicklung letztlich darum, ein Thema zu finden, eine Fragestellung und ein Erkenntnisinteresse zu entwickeln, zu analysieren, wie, wann und warum sich etwas darstellen lässt, um bei einem Fazit anzukommen, das aber beim Spiel ganz praktisch auch die Bedingung erfüllen muss, als Spielziel zu ‚funktionieren‘. Es geht also letztlich auch um ein alternatives Prüfungsformat (Game-Pitch). Forschendes Lernen durch eine Spiele-Entwicklung durchzuführen, bedeutet letztlich immer auch selbstkritisch zu fragen, ob die angedachte Forschungsidee relevant ist , was sich insbesondere darin spiegelt, ob und wie sich das Spiel für die Weitervermittlung von Wissen zum Forschungsgegenstand an potentielle Spielende eignet. Im Seminar wurden die Studierenden während des Lernprozesses zu Expert*innen in ihrem Bereich ausgebildet und das im Grunde genommen als begleitender Prozess während sie sich Gedanken zu passenden Spielmechaniken oder Spielkarten zum Thema gemacht haben.

Spielen

Wie war der Ablauf?

Auf dem Weg zur Produktion leitete ich das Seminar an und begleitete die Studierenden während des Entwicklungsprozesses, gab Literatur- und Recherchehinweise, ließ die Studierenden mit dem digitalen Tool Flinga über mehrere Sitzungen ein erweitertes digitales Mood Board und Mindmaps zu Brettspielen und den Prize Papers erstellen (typisch für Spielentwicklung) auf die sie im weiteren Verlauf der Entwicklung weiter zurückgreifen konnten. Die Studierenden waren aufgeteilt in unterschiedliche Gruppen zu unterschiedlichen Bestandteilen des Spiels (etwa Spielkarten, Spielbrett, Szene, Mechanik). Größtenteils haben die Studierenden in den Gruppen eigenverantwortlich gearbeitet. Damit entsprach ich der Definition von Huber 2009 (10), wonach Forschendes Lernen zentral in „selbstständiger Arbeit oder in aktiver Mitarbeit in einem übergreifenden Projekt“ besteht und „auch auf die Gewinnung von auch für Dritte interessanten Erkenntnissen gerichtet ist“. Ich ergänzte diese Grundidee um die praktische Komponente, diesen Prozess anhand einer Game-Entwicklung zu vollziehen, was bei der „Motivation der Studierenden ansetzt und zur Partizipation ermutigt.“ (Grundlagenpapier, 7). Die Prüfungsleistung bestand aus dem jeweiligen Beitrag zum Spiel im Rahmen einer Portfolio-Leistung. Die besondere Herausforderung des Seminars bestand zuletzt im Zeitdruck, am Ende bei einem spielfähigen Prototyp anzukommen, d.h. bei einem Produkt, das gespielt werden konnte.

Besuch von Lukas Boch (Boardgame Historian)
Besuch von Martina Fuchs (Spiel des Jahres)
Mit der APEX-Ideenschmiede

Gab es Unterstützung?

Neben der Einführung in die Forschung zu den Prize Papers und Spielen durch mich als Seminarleiterwaren die Sitzungen gekoppelt an eine Ringvorlesung zu Games in der historischen Forschung und Bildung zu denen namhafte Forscher*inneneingeladen waren. Zudem haben wir zur Inspiration Brettspielabende ausgerichtet, die gefördert wurden vom Verein Spiel des Jahres e.V., der Mittel zur Förderung eine Brettspielsammlung beigesteuert hat.Unterstützt wurden wir außerdem durch das Spielentwickler- und Autorenpaar Andreas und Martina der Apex Ideenschmiede, durch Lukas Boch, Brettspielhistoriker und Gründer von Boardgame Historian sowie durch Martina Fuchs, Jurymitglied bei Spiel des Jahres und Podcasterin bei Fux & Bär. Die Mittel der forschen@studium Förderung wurden für Reisemittel der Expert*innen genutzt sowie für das Druckmaterial für zwei Prototypen.

Dokumentation zum Seminar. Der Film wurde produziert von Sebastian Welp, Medienproduktion der Universität Oldenburg